Macht mehr Podcasts!

Warum Podcasts machen?

Podcasts machen ist einfacher als jemals zuvor. Nie war es so günstig möglich, ein gut klingendes Format zu produzieren. Seit 3,5 Jahren podcaste ich, mit durchaus ansteigender Tonqualität, Routine und Sicherheit. Seit gut zwei Jahren entwickle ich für Organisationen Podcast-Formate. Damit bin ich nun wahrlich nicht „senior” unter Podcaster:innen, gibt es doch viele, die seit zehn Jahren und länger ins Internet sprechen. Dadurch gibt es inzwischen einen Haufen guter Beispiele von etablierten Formaten und Nischenformaten, bei denen sich Podcast-Newbies etwas abschauen können. Mein Eingangs-Statement gilt es nämlich zu relativieren. Zwar ist es so einfach wie nie zuvor, aber damit ist es noch lange nicht einfach. Als Nicht-Techniker, Nicht-Nerd und Nicht-Toningenieur habe ich in den letzten Jahren ordentlich dazugelernt. Und das Gelernte betrifft nicht nur technische Details, Equipment und Software, sondern auch Konzeption, Interviewführung und Flexibilität, um sich Anforderungen und Kontexten anpassen zu können.

Vor nun fast vier Jahren hat mir Tine Nowak besonders geholfen, von der ersten Idee zum fertigen Podcast zu kommen. Die Podcastpat:innen sind ein klasse Netzwerk, dem auch Tine angehört, und gemeinsam mit dem Sendegate eine fantastische erste Anlaufstelle für alle, die podcasten möchten. Vieles von dem, was ich hier aufschreibe, basiert auf Erfahrungen, an denen auch die Podcastpat:innen oder das Sendegate in irgendeiner Weise beteiligt waren.An dieser Stelle möchte ich in einem ersten Beitrag Argumente für Podcasts zusammentragen. In einem zweiten Schritt wird es dann noch handfester und ich schlage ein paar Faustregeln für Podcast-Newbies vor.

Was ist ein Podcast?

Die Wikipedia beschreibt sehr übersichtlich: „Ein einzelner Podcast besteht aus einer Serie von Medienbeiträgen (Episoden), die über einen Web-Feed (meistens RSS) automatisch bezogen werden können.” So viel zur mehr oder weniger technischen Definition eines Podcasts. Menschen können über ihre Endgeräte automatisch aufeinanderfolgende Episoden eines Podcasts streamen oder herunterladen und dann hören, wenn es ihnen am besten passt. Das ist mehr als nur Radio im Internet, denn:

Podcasts sind persönlich und authentisch

Ein positiver Nebeneffekt dieser Vertrautheit, den jede:r Podcaster:in kennen wird: Zuhörer:innen sprechen die Macher:innen der Podcasts, die sie hören, oft mit einer angenehmen Vertrautheit an. „Ich habe Dich schon viele Stunden über meine Kopfhörer im Ohr gehabt, ich habe das Gefühl Dich zu kennen.” Podcasts können so auch ein Türöffner für Gespräche (und später damit auch gemeinsame Arbeit und Projekte) sein, die ohne sie nicht möglich oder zumindest weniger wahrscheinlich gewesen wären. Diese Art des Feedbacks, die oft fast schon enge Beziehung einer Hörer:in zu „ihrem” Podcast, macht Podcasts besonders. Und das ist in vielen Fällen wichtiger als die immer wiederkehrenden Fragen nach der Anzahl der Downloads und den Nutzer:innenstatistiken.Podcasts werden über Kopfhörer gehört, Radio über Lautsprecher. Ich habe diesen Ausspruch zuerst in einem Beitrag von Tim Pritlove gehört. Ich bin aber nicht sicher, ob er auch der Urheber dieses Gedankens ist, ebensowenig kann ich mich erinnern, in welchem Podcast ich das aufgeschnappt habe. Aber die Idee leuchtet ein: ein Podcast wird von einzelnen Menschen für interessant befunden und dann abonniert. Dann wird der Podcast in der von dem jeweiligen Menschen bestimmten Regelmäßigkeit gehört, vielleicht sogar in einer wiederkehrenden Situation. Beim Sport, bei der Hausarbeit, unterwegs oder auch zum Einschlafen. Das bedeutet: Podcasts werden meist allein gehört, oft über Kopfhörer. Das schafft eine Vertrautheit und einen persönlichen Bezug, die in kaum einem anderen Medium erreicht werden können.

Podcasts können Kontext

Ich wurde in den letzten Jahren immer wieder nach dem Einsatz von Podcasts für Lehren und Lernen gefragt. Und immer wieder warne ich davor, Fakten, Regeln oder zu lernende Formeln in einem Podcast „zu vermitteln”. Was Podcasts viel besser können: die Welt, in der diese Fakten, Regeln und Formeln eine Rolle spielen, beschreiben.

Das Beispiel eines Menschen, der von der Finanzkrise betroffen ist, mit seiner oder ihrer persönlichen Geschichte, macht die volkswirtschaftlichen Regeln des weltweiten Finanzmarkts deutlich und zeigt gleichzeitig, wie wir alle davon betroffen sein können.

Das ausführliche Interview mit einer Wissenschaftlerin beschreibt oft viel besser, wie Wissenschaft oder eine bestimmte wissenschaftliche Disziplin denkt und funktioniert.

Ein Podcast-Gespräch zwischen zwei Menschen, die gemeinsam eine neue Software in einer Organisation einführen und so Kollaboration und Kommunikation ermöglichen möchten, beschreibt viel besser als die Rundmail von der Geschäftsführung an alle Mitarbeitenden, weshalb das für die Organisation relevant und wichtig ist.

Podcasts können auch Unsichtbares sichtbar machen. Strukturen und Arbeitsweisen eines bestimmten Bereichs einer Organisation, ob Unternehmen, Archiv, Universität oder NGO, bleiben oft im Verborgenen. Diese Strukturen und Arbeitsweisen sind aber ebenso häufig wichtig, um zu verstehen, welchen Beitrag der jeweilige Bereich oder die gesamte Organisation leisten. Selten reicht es hier, ein Organigramm mit Abläufen und Strukturen zu veröffentlichen. Sprechen die Expet:innen aus der Organisation über diese Strukturen und Arbeitsweisen, tun sie das viel zu häufig in ihrer eigenen Sprache, setzen ihren Kontext voraus und schaffen es so nicht, Menschen außerhalb ihrer Strukturen zu erreichen.

Ein Interview mit einer Expert:in in einem Podcast, der lautes Nachdenken über Formulierungen und Beispiele zulässt, in dem nachgefragt werden darf, kann mindestens zwei Ziele verfolgen. Erstens, und das ist offensichtlich: die Strukturen und Arbeitsweisen werden sichtbar und nachvollziehbar(er). Zweitens, und das ist meist eher implizit und Kollateralnutzen: Die interviewten Expert:innen bekommen Übung und sammeln Erfahrung darin, über ihre Arbeit und ihre Organisation so zu sprechen, dass es auch andere verstehen.

Ein Podcast-Interview kann so also auch eine Mini-Fortbildung sein. Ich selbst versuche im Vorfeld immer nach Beispielen der Arbeit der Expert:innen zu suchen. Wir überlegen gemeinsam, was vielleicht interessant sein könnte. Im Gespräch suchen wir nach passenden Formulierungen, Beispielen und Ideen. Immer mit dem Ziel verständlich zu beschreiben, was sie schon wissen. Meine Hoffnung ist, dass die interviewten Expert:innen damit auch auf lange Sicht besser darin werden, ihre Fachthemen zu kommunizieren.

Podcasts können Nische und Nebensätze

Es gibt viele gute Podcasts, die „massentauglich” sind: Nachrichten, Podcasts großer Verlagshäuser, US-Podcasts wie Serial oder This American Life. Aber es gibt auch einen Haufen guter Podcasts, die gemacht werden, um ein besonderes Thema ins Scheinwerferlicht zu stellen und eine bestimmte Community zu fördern oder sichtbar zu machen.

Podcasts können das besonders gut, weil es in Podcasts vollkommen in Ordnung ist, auch in Nebensätzen zu sprechen. Podcastgästen beim Nachdenken zuzuhören macht für viele Zuhörer:innen den Charme eines Podcast aus. Perfekt für neue, vielleicht noch unbekannte Themen und Nischenthemen. Oft haben diese Formate relativ wenig Zuhörer:innen – weshalb das nicht das einzige Kriterium bei der Bewertung eines Podcasts sein sollte, habe ich oben beschrieben.

Podcasts helfen, Kommunikation zu üben

Bis jemand in einem bestimmten Gebiet, im Beruf oder in der Wissenschaft so viel Expertise erarbeitet hat, dass man ihn oder sie als Expert:in bezeichnen kann, vergehen meist Jahre. In dieser Zeit haben sich die meisten Menschen bestimmte Begriffe und Kontexte angeeignet, die für ihre Expertise und ihre Denkmuster elementar sind. Sprechen diese Expert:innen dann mit anderen Menschen über ihr jeweiliges Spezialgebiet, fällt es ihnen manchmal schwer, diese Expertise und ihre Erkenntnisse so zu erzählen, dass sie anderen Menschen zugänglich werden. Podcasts können hier mit Interview-Formaten wie ein Training funktionieren, in dem Expert:innen Wissenschaftskommunikation üben oder schlicht ausprobieren können, mit welchen Geschichten und Beispielen anderen Menschen besser zugänglich wird, woran sie arbeiten.

Header Image via unsplash.

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