Sonnenuntergang am Hafen Koserow

Monatsnotiz: Februar 2023

Monatsnotiz (Substantiv, feminin): eine kurze monatliche Zusammenfassung der Dinge, an denen ich arbeite meines Monats.

Der erste Monat meiner Elternzeit ist schon vorbei, sechs weitere folgen. Andere Eltern schmunzeln oder lachen, wenn ich im Gespräch behaupte auf der Suche nach einem gemeinsamen Rhythmus oder einem wiederkehrenden Tagesablauf zu sein. Als ob es das gebe, sagen sie. Aber ich suche weiter.

<Kita-Rant> Wie Büroarbeit hat sich in diesem Monat vor allem die Auseinandersetzung mit dem absolut dysfunktionalen System der Kita-Platz-Vergabe in Berlin angefühlt. Ich habe Erfahrung mit öffentlicher Verwaltung, würde mich in meiner Hybris zu den mindestens durchschnittlich intelligenten Menschen zählen, ich habe keine Scheu vor Fleißarbeit.

Und dennoch würge ich beim Gedanken daran, dass es jemand irgendwo in dieser Stadt für eine gute Idee hält, eine Website namens Kita-Navigator anzubieten, mit der Menschen nach einem Betreuungsplatz in ihrer Nähe suchen sollen. Das Interface ist vollkommen vermurkst, nicht alle Kitas sind daran angebunden. Die Anmeldung für einen vermeintlich freien Betreuungsplatz über den Navigator wird von jeder Kita individuell bewertet und mehr oder weniger strategisch verfolgt, bloß keine Verpflichtung. Von “das nutzen wir nicht, aber wir sind da gelistet” über “bitte nur über den Kita-Navigator Kontakt aufnehmen” bis zu “erst dort anmelden, dann einen Anmeldebogen schicken, vorbeikommen, zweiwöchentlich bei uns anrufen und bestätigen, dass ihr noch Interesse an dem Platz habt” ist alles dabei.

Am Ende steht man dann bei 15 Kitas auf einer dreistellig besetzten Warteliste. Die Kitas haben zwischen 0-5 Plätze für einjährige Kinder frei. Wie man davon erfährt, ob man einen Platz erhält, ist unterschiedlich: Mal muss man anrufen, mal bekommt man eine Mail, meist erfährt man lange nichts. Mal geschieht das im Oktober des Vorjahres, mal im Januar, meist wohl erst im Sommer kurz vor dem gewünschten Start der Betreuung im August/September. Empfehlungen, sich für eine ggf. bevorstehende Klage auf einen Platz bei mindestens 15 Kitas auf die Liste setzen zu lassen, um dann gute Chancen auf einen positiven Klageausgang zu haben, kann man nur noch mit einem zerknirscht zynischen Lächeln hinnehmen. Denn wenn das alle machen – was sie ja müssen – erklärt das die Wartelisten und die vielfach anfallende Arbeit bei Eltern und den Kitas, die für den ganzen Murks noch am wenigsten können.

Wer jetzt denkt: ist ja witzig, ein privilegierter Typ über 40, der sich zum ersten Mal in seinem Leben wirklich mit der Betreuungssituation in Berlin auseinandersetzt, hat Recht. Ich hatte keine Ahnung, dass es wirklich so schlimm ist, habe Sorge ob wir einen Platz finden, befürchte, dass es bei der Schulsuche nicht anders sein wird. Und ich frage mich ernsthaft, wie das alles gerade diejenigen hinkriegen sollen, die nach jeder wissenschaftlichen Untersuchung den größten Bedarf an Betreuung haben, um ihrem Nachwuchs ansatzweise gleichwertige Chancen für gesellschaftliche Teilhabe zu bieten. Das kann alles nicht unser Ernst sein. Aber auf den Wahlplaketen steht immerhin, dass Bildung Herzensangelegenheit ist. </Kita-Rant>

Fortbildung: systemische Organisationsberatung

Die einzige Aktivität, die ich während meiner Elternzeit durchziehe und die direkt mit meiner Arbeit in Verbindung zu bringen ist, ist die Fortbildung in der systemischen Organisationsberatung, auch weil eine Unterbrechung organisatorisch kaum zu bewerkstelligen wäre. Im Februar stand das Modul an, in dem wir uns mit uns selbst, unseren Verhaltensmustern und Prägungen beschäftigen.

Was beobachte ich in einer Organisation und was fällt mir aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen eher oder anders auf als anderen? Zu wissen, welche Deformationen ich als Berater selbst mitbringe und welche Dinge mir deswegen verstärkt bei anderen und in ihren Organisationen auffallen, ist meine große Lehre aus diesem Modul.

Für die Ohren

Ein Großteil meines Tages besteht darin, mit dem Nachwuchs durch den kalten Berliner Spätwinter zu laufen. Der Nachwuchs schläft dabei bestenfalls und das wiederum ist eine Gelegenheit für Podcasts und Hörbücher.

The Coldest Case in Laramie habe ich in gut zwei Tagen durchgehört und kann es allen empfehlen, die schon die erste Staffel Serial mochten. Eine Journalistin macht sich auf in ihre Heimatstadt in Wyoming, Laramie, um einem Mord aus dem Jahr 1985 auf den Grund zu gehen. In den acht Folgen bekommt man einen lebendigen Eindruck der Gegend und der Leute. Kim Barker, die Journalistin, baut in dieser irgendwie roh und gleichzeitig einfühlsam erzählten Geschichte eine schöne Szenerie, ein interessantes Gesamtbild der Stadt in Wyoming und ihrer Leute sowie einen Spannungsbogen, der in der achten Folge fast unerwartet endet.

Wie sehr die FDP am Ende ist, wissen alle, die sich im entferntesten für die Mobilitätswende und Klimapolitik interessieren. Das Selbstbild der Dagegen-Partei in der Bundes-Koalition wurde gut auseinandergenommen im Piratensender Powerplay und in der Lage der Nation. Beides keine Geheimtipps – schon gar nicht die Lage der Nation, die ich nur noch in feineren Dosierungen als vor einigen Jahren als hörens- und empfehlenswert empfinde.

Wenn meine kognitive Leistung etwas mehr zulässt als dem Diskurs zur FDP zu folgen, genehmige ich mir derzeit Alle Zeit von Teresa Bücker. Der alte Spruch, dass auch das Private politisch ist, wird hier mit einem Blick auf  Zeitgewichtung im alltäglichen Leben wieder bedeutend. Wer wieviel Zeit für welche Aktivität aufbringt, aufbringen darf, aufbringen muss, was von uns in verschiedenen Geschlechterrollen gesellschaftlich erwartet wird, wie sich das ändert und zuspitzt – all das nimmt Teresa Bücker hier in den Blick. Das Buch liegt bei uns zu Hause seit Oktober und ich starte nun mit dem Hörbuch den Versuch, es mir zu genehmigen.

Twitter, Mastodon und LinkedIn

Ich schaue mir Mastodon seit 2016 regelmäßig an und im letzten Jahr hat es für mich an Bedeutung gewonnen. Viele bekannte und wenig neue Kontakte finde ich inzwischen dort. Twitter hat hingegen, wie für viele andere auch, für mich die Relevanz verloren. Entgegen der Erfahrung von vielen anderen sind auch nicht nur meine deutschsprachigen Netzwerke bei Mastodon zu finden, sondern auch viele der englischsprachigen. Und auch mit den gelegentlichen Eigenarten und der sich etwas clunky anfühlenden UX könnte ich mich anfreunden, wäre ich nicht einfach etwas Social-Media-müde. Vielleicht legt sich die Müdigkeit ja beizeiten, dann sehen wir uns dort wieder regelmäßig.

Nicht erst mit dem Abschalten der API für 3rd party apps ist Twitter aber zusehends unbenutzbar geworden. In der “algorithmischen” Timeline finde ich einen Haufen an Werbung und “promoted tweets”, manche Nutzer*innen schaffen es gar nicht mehr in meine Timeline. Noch ist Tweetdeck im Desktop-Browser verfügbar und nutzbar, aber ich denke meine Twitternutzung wird sich zunächst auf ein Minimum begrenzen.

LinkedIn hingegen scheint für viele ein Ausweg aus dem Twitter-Dilemma zu sein. Das regelmäßige Abfeiern über Gebühr von Erfolgen noch so kleiner Natur ist für mich noch etwas zu viel, aber ich gönne natürlich jeder*m die positive Einstellung gegenüber den eigenen Tätigkeiten in der Bürowelt.

Im Februar stand auch ein Besuch bei der Urgroßmutter des Nachwuchses an der Ostsee an, daher rührt das Titelfoto dieses Blog Posts.

 

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