Monatsnotiz (Substantiv, feminin): eine kurze monatliche Zusammenfassung der Dinge, an denen ich arbeite.
Die Monatsnotiz für Dezember ist auch eine persönliche Jahresnotiz. Nah liegt es daher, mit dem Blick auf die vergangenen Monatsnotizen zu starten: das war durchwachsen. Seit dem Start im Jahr 2019 habe ich es fast immer geschafft, mich an den namensgebenden Rhythmus zu halten. In diesem Jahr nicht.
Zu viel war los, zu wenig Fokus. Oft auch Unzufriedenheit mit dem, worum es in den Monatsnotizen eigentlich geht: dem Arbeitsleben. Ich habe meine selbstständigen Arbeiten für einen Großteil des Jahres auf das Geben von Podcast Workshops und die Podcast-Produktion für Hamburg hOERt ein HOOU beschränkt. Am WZB war ich oft unzufrieden – weniger mit der Geschwindigkeit, mit der wir weiterkommen, sondern eher mit dem Rahmen, in dem ich in der Lage bin zu arbeiten. Das häufige Hinterfragen getroffener Entscheidungen und verabredeter Strategien hat gezeigt, dass ich andere Wege der Willens- und Meinungsbildung gehen muss. Die Erkenntnis war schmerzhaft, auch weil ich das selbst nicht allein steuern kann, sondern in der Organisation ein Netzwerk und Entscheidungen brauche.
Zum Ende des Jahres dann ein versöhnlicher Ausklang mit meinem Berufs- und Arbeitsleben: in zwei Beratungs-Projekten, beide in Kooperation mit jeweils anderen Berater:innen, habe ich verschiedene Rollen angenommen und mich am Ende in beiden wohlgefühlt. Beide Projekte waren thematisch sehr unterschiedlich: einmal ging es um die digitale Transformation einer großen Uni-Klinik, ein anderes Mal ging es um Fragen der Mitarbeitendengewinnung, employer branding und Mitarbeitendenbindung.
Ausbildung: systemische Organisationsberatung
Im März begann meine Ausbildung in der systemischen Organisationsberatung bei artop. Ein großes Investment – budgetär und zeitlich. Viel gelernt und gleichzeitig immer wieder ein schlechtes Gewissen, nicht so viel lesen zu können wie eigentlich angebracht und sinnvoll. Viele Bücher gekauft und durchgeblättert, wenige gelesen. Ein Vorsatz für 2023 steht also und vielleicht findet sich ja hin und wieder ein Hinweis auf ein Buch hier in der Monatsnotiz.
Die Abfolge der Module der Ausbildung, die Gruppendynamik, die entstehenden Freundschaften und Netzwerke, das Aushandeln von Inhalten und Positionen, das Einbringen von Ideen und die verschiedenen Erwartungshaltungen von 16 Mitgliedern der fest zusammengesetzten Ausbildungsgruppe sind ein interessantes Gemisch und ein oft funktionierender mehrdimensionaler Lernraum.
WZB
Nach einer erheblichen Anfangseuphorie in der Organisation ob meiner Anstellung im Jahr 2020 hatte sich bereits 2021 eine Abkühlung eingestellt. An sich nicht überraschend, aber in dieser Amplitude hätte ich dann doch nicht damit gerechnet. Im vergangenen Jahr ist viel passiert am WZB, ebensoviel ist nicht weitergekommen.
Und doch ist etwas entstanden. Einzelne Mitarbeitende arbeiten dezentral daran, ihre Arbeitsgebiete weiterzuentwickeln. Sie profitieren unmittelbar davon, oft auch langfristig. Manche Änderung, die sich erst langfristig auswirken wird, ist auf den Weg gebracht.
Auch unaufmerksam Lesende werden feststellen, dass mir ein wenig Distanz zum WZB gut tun würde. Wie gut, dass sich diese einstellt, wenn ich ab Februar für sieben Monate in Elternzeit gehe.
Podcasting & Podcasting Workshops
Ich fasse mich hier kurz, weil Leser:innen der Monatsnotizen das eigentlich mitbekommen haben sollten: Podcast Workshops gebe ich nach wie vor sehr gern, remote und vor Ort. Der Fokus im Jahr 2022 lag klar auf Hochschulen, Büchereien und Bibliotheken und das hat Spaß gemacht.
Und auch das Podcasting ist nach wie vor eine gute Sache. Das Feierabendbier Open Education hat darunter gelitten, dass ich weniger Zeit und größere Distanz zum Themenfeld habe. Aber es soll weitergehen.
Auch Hamburg hOERt ein HOOU läuft weiter. Und hier braucht es mal wieder frischen Wind. Ein weiterer Vorsatz für 2023: Hamburg hOERt ein HOOU im Format und inhaltlich weiterentwickeln oder es ruhen lassen, auf die über 50 Episoden zurückblicken und sich darüber freuen, so lange mit interessanten Gesprächspartner:innen zu facettenreichen Themen gesprochen zu haben.
Podcasts und Podcast Empfehlungen
Im letzten Jahr hat sich nach meinem Empfinden auch die Welt des Podcastings noch weiter entwickelt und diversifiziert. Und das sowohl trotz und aufgrund der fortschreitenden Plattformisierung des Podcastings. Trotz der Plattformisierung, weil die Plattformisierung Podcasts noch stärker an ihrer Reichweite misst. Kuttner & Bauerfeind, Lanz & Precht – ein Promi, der:die einen Podcast moderiert oder einfach nur unüberlegt und selbstüberschätzend ins Mikro spricht, garantiert Hörer:innenaufmerksamkeit. Aufgrund der Plattformisierung, weil so erst tiefergehende Produktionen mit Budgets und Ressourcen möglich zu werden scheinen – zumindest in der Breite und regelmäßig.
Nur dezidierte Freizeitprojekte und Überzeugungstäter:innen mit bereits ausgebauter Hörendenschaft kommen noch gut an Spotifiy vorbei. Das Feierabendbier macht auch einen Rückzug, allerdings vor allem um die Arbeit zu reduzieren und nicht weiter die Kontrolle über den eigenen Podcast abzugeben.
In einem Gespräch zum Jahresende haben Sandro Schroeder und Holger Klein das alles besser besprochen als ich es hier könnte. Die Podcastkritik von Übermedien, die Sandro Schroeder gemeinsam mit Larissa Vassilian in ihrer Kolumne verarbeitet haben, wird nach vier Jahren eingestellt und auch das war Anlass des Gesprächs.
Damit sind wir bei meinen Podcast-Empfehlungen, gänzlich unsortiert, für dieses Jahr:
Cui Bono: Wer hat Angst vorm Drachenlord? : ein Überblick über das Drachengame und wie es dazu kam. Zum Ende hin die Erklärung, was das mit uns als Gesellschaft und dem Netz zu tun hat.
Himmelfahrtskommando – Mein Vater und das Olympia-Attentat: Recherche zum Olympia Attentat von München, in der Journalistin Patrizia Schlosser mit ihrem Vater, damals Polizist im Einsatz, recherchiert und nachlebt. Sehr nah dran und über alle Folgen hinweg packend erzählt.
Ohrensessel: Carina und Sandro Schroeder sprechen über Podcasts. Das Format findet sich nach meinem Eindruck noch, lange kam keine Folge raus. Aber die Hoffnung bleibt und alles bisher veröffentlichte war charmant vorgetragen, lehrreich und interessant.
Corporate Therapy: einer der wenigen hörbaren Business Podcasts, und das meine ich als Auszeichnung. Beratung, Soziologie und Business Alltag treffen aufeinander, oft kommt Gutes raus.
Der ganz formale Wahnsinn: Soziologe und Organisationsberater Stefan Kühl im Gespräch mit Andreas Hermwille, der Öffentlichkeitsarbeit für Metaplan macht und früher beim Campusradio war. Alltagsphänomene von Organisationen werden wunderbar seziert. Und wenn es nicht immer wieder nach Campus-Radio Moderation klänge, wäre ich noch zufriedener. Außerdem: nicht verunsichern lassen, der Podcast ist auch außerhalb von Spotify zu finden. Nur die Macher scheinen das nicht pushen zu wollen.
Denkangebot: Katharina Nocun schnappt sich ein Thema, oft auch ein:e Interviewpartner:in und geht ruhig in die Tiefe. Oft rund um Desinformation und Verschwörungserzählungen.
Female Tech Talk: “Damit ihr alle checkt, wie geil Informatik ist”, heißt es im Intro. Eigentlich ist damit und dem Titel des Podcasts alles gesagt und die Neugier hoffentlich geweckt.
Freiheit Deluxe: Bei mir hat Freiheit Deluxe erst in diesem Jahr gezündet. Der in den letzten drei Jahren so oft missbrauchte Begriff der fREiHeiT wird hier wunderbar ruhig im Diskurs und mit Humor besprochen.
quoted. der medienpodcast: Nadia Zaboura und Nils Minkmar reflektieren die Berichterstattung und ihre Rezeption im Zwei-Wochen-Rhythmus, fast immer mit einem Fokus, von dem ich erst hinterher wusste, dass er mir gefehlt hat.
Slow Burn – One Year: 1986: Ohne Slate Abo nervt die Werbung. Selten schafft es ein Podcast, sich so gut in die Szenerie einer Zeit einzufügen. Das Jahr 1986, erzählt anhand von Ereignissen des Jahres, in jeder Folge eins.
Wild Wild Web – der Pornhub Effect Eine weitere BR Produktion. In Season zwei von Wild Wild Web geht es um die Entstehung von Pornhub und die (Netz)Gesellschaft, in der Pornhub sich entwickeln konnte.
“Schwarz Rot Blut” – Podcasts – Radio – WDR: ein True Crime Podcast über rassistische Gewalt in Deutschland. Nah dran, nachdenklich, eine große Hörmepfehlung.
Musik
Ich habe sehr viel mehr Podcasts als Musik gehört. Aber zwei Empfehlungen habe ich dennoch, beide sind sehr unterschiedlich. Einmal UK Hip Hop, einmal deutsche Texte.
Little Simz – NO THANK YOU
DIE NERVEN – DIE NERVEN
Und noch eine Empfehlung für alle, die Zugang zu Apple TV haben: 1971: The Year That Music Changed Everything hat viel Material aus der Zeit, viele Interviews, viel Musik zu einer Reise in das Jahr 1971 und seine musikalischen Entwicklungen zusammengefügt.
Privates
Wirklich private Details finden sich selten hier im Blog. Aber dass ich Vater geworden bin, haben viele spätestens mit der Suche nach einer Elternzeitvertretung am WZB mitbekommen. In 2022 bin ich also Teil einer neuen Familie geworden, der eigenen. Der Nachwuchs entwickelt sich gut und macht genau das, was er soll. Und seine Eltern versuchen sich anzupassen ohne nur noch Eltern zu sein. Auch nicht so ganz einfach, aber lohnend.
Misc
Im Jahr 2022 habe ich auch eine neue Website in die Welt entlassen und bin nach wie vor recht zufrieden.
Über die letzten 12 Monate habe ich vergeblich versucht, einen Podcast zu systemischer Beratung zu finden, den ich uneingeschränkt empfehlen kann. Und ob ich den Podcast, den ich gern hören möchte, selbst produzieren kann, ist eine weitere Überlegung.
Header Image “trockener Zweig auf Beton” von Christian Friedrich unter CC-Zero